Der Prater zu Tode modernisiert? Von Reinhard Engel 9. Juni 2008, 04:00 Uhr Die Wiener Stadtregierung hat den berühmten Park in eine Art Outlet Center verwandelt. Was manchen Händler freut, kritisieren andere als Traditionszerstörung die langfristig Geld kostet Kindliche Aufregung kennt keine Sprachunterschiede. Die kleinen Prater Besucher sind gerade der UBahn entstiegen und freuen sich s chon auf Ringelspiele, auf
[MEHR]Autodrom Fahrten und das Gruseln in der Geisterbahn . Sie zappeln an den Händen ihrer Väter und plappern aufgeregt auf Deutsch, auf Tschechisch, Ungarisch, Englisch. Für die neue Eintritts Plaza des Wiener Praters zeigen sie keine Geduld sie wollen gleich hinein ins Vergnügen. Aber hier hat die Geme inde Wien soeben ein mehrjähriges Modernisierungs Projekt fertig gestell t, gerade recht zur Fußballeuropameisterschaft, deren größte Spielstätt e, das Ernst Happel Stadion, nur einen kurzen Spaziergang entfernt liegt. Und auf di e vielen Fußball Fans zählen auch schon die Prater Unternehmer. Der neue Eingangsbereich des traditionsreichen Vergnügungsparks verströmt den cremefarbenen, aseptischen Charme eines Outlet Cent ers, verschnitten mit Versatzstücken kitschiger Wien Nostalgie. Auf mächt ige Betonmauern wurden barocke und Jugendstil Scheinfassaden gemalt, die Architekturkritikerin de r Wiener ' Presse' schrieb von ' Albtraum' und 'der größten ar chitektonischen Entgleisung der letzten 50 Jahre'. Was ist passiert? Vor fünf Jahren hatte die Gemeinde Wien einen Ideen wettbewerb zur Neugestaltung des Praters ausgeschrieben. Man w ollte verschiedene Varianten prüfen, wohin sich das Areal entwickeln könnte eh er nach Disneyland, mit einem großen Sprung zu einer Art High Tech Park oder kons ervativer mit dem Schwerpunkt auf Nostalgie und ' Alt Wien'? Ein franz ösischer Themenpark Spezialist, Emmanuel Mongon, arbeitete drei Jahre an einem Konzept. Zu einem klaren Ergebnis kam es nicht. Die alteingesessenen Praterunternehmer und die zuständige Kommunalpolitikerin Grete Laska gerieten sich in die Haare. Übrig blieb von der großen Renovierung der Neubau d es Eingangsbereichs, und dieser sorgte für Aufregung, nicht nur wegen seiner gestalterischen Schwächen. Insgesamt 32 Millionen Euro wurden investiert, und das ohne Ausschreibung. Übergangen fühlten sich die lokalen Architekten, we il der Auftrag an eine weitgehend unbekannte Firma namens Explore 5d ging. Politiker der Grünen und die Presse kritisierten die ' Freunderlwirtschaft'. Die ' Neue Zürcher Zeitun g' fragte Seite 1 von 3 Der Prater zu Tode modernisiert? DIE WELT WELT ONLINE 23.10.2009 http://www.welt.de/welt_print/article2081467/ Der_ Pr ater_zu_ Tode_mo ... sich gar in Anspielung auf das Operettenlied von Ro bert Stolz: ' Blüht im Prater die Korruption?' Sport Stadträtin und Vizebürgermeisterin Laska si e kann sich in Wien auf eine komfortable sozialdemokratische Mehrheit verlassen gab sich ungerührt: Die Zeit habe wegen der Euro 2008 gedrängt. Der Auftrag sei überdies nicht von der Kommune, sondern von einer ausgegliederten Tochterf irma vergeben worden, eine Ausschreibung habe es daher nicht gebraucht. Die Prater Unternehmer sind in der Sache gespalten. Einerseits freuen sie sich, dass endlich einmal etwas passiert. Anderseits fürchten diejenigen, die weiter hinten mit den traditionelleren Geisterbahnen oder Ballwurf Sp ielen ihre Umsätze machen, dass die Gäste künftig schon im neuen Eingangsberei ch ihr knappes Budget loswerden und am Ende nicht mehr bis zu ihnen finde n. Nachdem ihre Organisation einmal sogar den Rücktritt der Stadträtin gefordert hatte, hat sich die aufgeheizte Stimmung wieder etwas abgekühlt. Es wird auch sonst investiert. Im Frühling 2008 gin gen einige neue, spektakuläre Bahnen in Betrieb. Sie heißen ' Calafatis Magischer Roter', ' Turbo' oder ' Top Spin', und die Kinder und Jugendlichen haben mit la utem Gekreische längst von ihnen Besitz genommen. Novomatic, eine internationa le österreichische Casino Gruppe mit einem Jahresumsatz von mehr als zwei Mil liarden Euro und Projekten zwischen Macao und Lima, betreibt im Prater bereits ein riesiges Automaten Casino. Novomatic will dort ein neues, noch größere s errichten. Ebenfalls im Frühling dieses Jahres begann sich ein global agierender Unterhaltungs Konzern, Merlin Entertainments, für Wien zu intere ssieren. Und die Engländer gehen gleich aufs Ganze: ' Wir haben ein natürliches Interesse am Riesenrad in Wien', sagt der Entwicklungs Direktor von Merlin. A ber das Wahrzeichen des Praters und der Stadt Wien sei in privatem Eigentum und nicht zu kaufen, Merlin möchte es daher mieten. Ein weiterer Baustein in diesem Konzept ist die Erö ffnung einer Dependance des Londoner Wachsfiguren Kabinetts Madame Tussauds in Wien mit lokalen Figuren à la Mozart. Tussauds eröffnet noch diesen Sommer i n Berlin, andere Zweigstellen gibt es bereits in Städten wie Amsterdam, New York, Las Vegas oder Shanghai. Doch der Prater wird nicht nur internationalisiert. Es gibt auch die gegenläufige Bewegung in Richtung seiner ursprünglichen Tradit ion und seines historischen Kolorits. Vor wenigen Monaten hat Werner Schmalvogl die verstaubte Prater Institution ' Zum Walfisch' übernommen und restaurie rt. Jetzt bläst der blecherne Meeresriese über dem Eingang der 1000 Plätze Gastst ätte jede halbe Stunde eine Wasserfontäne in die Luft, um Besucher anzulocken. Nach dem für seine Schweinsstelzen und sein Budweiser Bier bekannten S chweizerhaus ist der Walfisch das zweigrößte Lokal im Vergnügungspark.' Ich glaube an Qualität', sagt Schmalvogl, der lang e Jahre ein Ausflugslokal am Wiener Leopoldsberg betrieben hat. ' Wir wollen hier die klassische Wiener Küche Seite 2 von 3 Der Prater zu Tode modernisiert? DIE WELT WELT ONLINE 23.10.2009 http://www.welt.de/welt_print/article2081467/ Der_ Pr ater_zu_ Tode_mo ... anbieten, vom Schnitzel bis zum Tafelspitz. Man kan n auch im Prater ein besseres Publikum ansprechen, das nicht nur Bratwurst und La ngos konsumiert.' Schmalvogls Familie besitzt bequemerweise im Burgen land ein eigenes Weingut, und noch in diesem Jahr will er nebenan einen Heuri gen eröffnen den ersten im Prater. ' Wir haben uns das nicht zuletzt deshalb zu getraut, weil jetzt auch andere im Prater investieren.' Noch geht es eher ruhig zu in seinem riesigen Gastg arten mit den grünen Sesseln und den blütenweißen Tischtüchern. Aber für die Eur o 2008 rechnet Schmalvogl mit einem ersten Ansturm und parallel dazu beginn t er, sich eine Wiener Stammklientel aufzubauen. Das ist überhaupt eine der wichtigsten Maßnahmen fü r alle Unternehmer hier, egal ob sie den Dschungelfluss und das Kinderkarussell f ür die ganz Kleinen betreiben, den Donau Jump oder das Calypso Lachkabinett. Der P rater muss sich gegen eine Fülle schnellerer, schrillerer und vor allem auch e lektronischer Gegner immer wieder behaupten und präsent sein. Ganz so schlecht sollten seine Chancen aber nicht s tehen, sagt der Freizeit und Tourismusforscher Hans Jürgen Kagelmann. Seinen Unt ersuchungen zufolge haben selbst die Besucher moderner Themenparks eine Sehns ucht nach ' Authentizität', nach 'natürlichen' oder historisch unveränderten At traktionen. Das mögen heute im Prater nicht mehr wie früher die Riesen, Zwerge und Damen ohne Unterleib sein. Aber die Alt Wiener Grottenbahn, das Ponykarussell und die Liliputbahn könnten durchaus Zukunft haben. Seite 3 von 3 Der Prater zu Tode modernisiert? DIE WELT WELT ONLINE 23.10.2009 http://www.welt.de/welt_print/article2081467/ Der_ Pr ater_zu_ Tode_mo ...