Gastkommentar Doris Knecht Die Reise in diegroße Stadt Dann kamen sie tatsächlich. Die tollkühnen Schwestern,die heldenhaften Nichten. Sie bestiegen bei Feldkirchunerschrocken die eiserne Elektrokutschegen Wien und überstanden tapfer eine Tagesfahrt. Oder fast eine Tagesfahrt. Sechs, fast sieben Stunden jedenfalls. Mit nichts bewehrtals einpaar Nintendos, Laptops, i Pods, DVDs und einerkaum zentnerschweren Tasche voller Spei
[MEHR]sen und Getränke, weil man ja nicht weiß, was einen in der großen Stadtankulinarischen Zumutungen erwartet. Und mit zwei Eimerchen sprudelnden Weins, welchernurunzureichenddavon abzulenken vermochte, dass sie sich der Heimatmehr und mehr entfernten, Kilometerum Kilometer: ihren Ehemännern, ihren Katzen, ihren Häusern, ihren Gärten,ihren Staubsaugern. All das ließensie heroisch zurück undvorsichhin schmutzen, für vier lange Tage. Ja. Drei Großstädterinnenerwarteten sie am Exilbahnhof:bebenden Herzens und fiebrigvor Stolz und Glück. Dawaren sie nuntatsächlich. Wie schön. Aber die Fahrt war noch nichtzu Ende: Zuerst noch schossmanmit gefährlichen, pfeilschnellen Vehikeln durch dunkle,enge Tunnel und flutschte dann unvermutet ins Tageslicht,das sich mühevoll in dieengen, grauen Häuserschluchtenhineinzwängte. Man schleppte den Proviant über vielspurige Straßen und wurde schließlichvoneinem Lift ineinem berghohen Haus ganz nach oben getragen, in eineenge,völlig gartenlose Wohnstatt hinein. Dortnun wardie Reisenungottlobzu Ende, dortwar manendlich vorläufig sicher, und feierte die Wiedersehensfreude und die Erleichterung über die unerwartet wohlbehaltene Ankunfterst einmal gebührend mit weiterem Sprudelwein. Und sah andern und anderntags: Ein riesiges Museumvoller haushoher, nicht allesamt jugendfreier Gemälde. Ein identisches Riesenmuseum, diesfalls gefüllt mit einerguten Million toter, ausgestopfter Tiere. Und dann, endlich: den Prater. Den Prater!! Gut, die Ansässigen maulten(konkret: die Erwachsene unter den Ansässigen): Der blöde Wurstel Prater, immer der blöde Wurstel Prater, lästig,blöd und fad sei das, anstrengend und für Einheimischeeine unerträgliche Nerverei und eine betrübliche Zeitverschwendung undso weiter. Es war im Grunde nichts alsdie trostlose Manifestation dessen,waseine misanthropische, inhumane Großstadtaus einer einst blühendenjungen Land Maid gemacht hatte... Aber die zugereisten Schwestern und Nichten hatten etwas Derartiges wie den Dortwardie Reisenun gottlobzu Ende, dortwar manendlichvorläufig sicher. AMI"quot; Prater ja teilweise noch nie gesehen, und wolltemanihnen Strapazen einer derartigen Weltreise zugemutet haben,ohne dass sie und und ihre Kinder ein Mal, ein einziges Mal, den Prater gesehen hätten? Nein, das konnte man selbstredend nicht, also schufmaneinen Nachmittag Erinnerungen,vondenen ein Leben lang gezehrt und erzählt werden würde: Der Prater,weißt du noch im Prater? Ja, der Prater, damals, als wir die Reise machten, die weite, weite, schöne Reise nach Wien.doris.knechtevn.vol.at Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit Ihrer Familie in Wien und Im Waldviertel. Die VN geben Gastkommentatoren Raum. ihre bersönliche Meinung zu äußern. Sie muss nicht mit der Meinung der Redaktion ubereinstimmen.