Prater Wien VON EVA WINROITHER » Heutenur Stammgäste«oder »geschlossene Gesellschaft« warum Türsteher Gästen aufdiese Art den Eintritt in Clubsverwehren. Undwasder Turnschuh damitzu tunhat. VON EVA WINROITHERManchmalpassieren Dingein der Nacht, dieman bei Tageslicht nicht nachvollziehen kann. Christian F.,zum Beispiel, stand vor einiger Zeitam Abendvor einem Wiener Club in der Innenstadt. Jeans, Hemd
[MEHR], Sneakers. Eher schick als laissezfaire,und trotzdem hießes auf einmal: Nein, dudarfst hier nicht rein!' Wärum lassen Türsteher Gäste indas Lokal hinein undwarum nicht? Wie wählen Lokale ihre Leuteaus? Dasist oft kaumzu verstehen. Zuletzt sorgte etwa der Wiener Technoclub Grelle Forelle für Aufsehen, derwohl mehrals Statement dennals ernst gemeinte Tür Policyauf Facebook ankündigte,keine FPÖ Wähler mehreinlassenzuwollen. Als würdemandiean ihremÄußeren erkennen. Aber tatsächlich habenviele Lokalezumindestam Anfang und in der Theorie eingenaues Bild von ihren Gästenoder den Menschen, diesiegern versammeln würden. Hennes Weissvom Wiener Hipster Club Pratersauna(erselbst würde den Club freilichniesobezeichnen) erzählt,wie das Lokal inden erstenzwei Jahren ein Lokalprofil' festlegte, weil sich der Club erstpositionieren musste. Besucher, die sichversehentlich vom Prater Dome'verirrt haben,waren ebenso wenig will Der angeblich falsche Schuh: Dies ist oftnur Vorwand oderein Kommunikationsproblem.kommen wie Vollproleten', auchbetrunkene Männergruppen ab drei Leuten waren nichtgern gesehen. ( Diesindes übrigens heute noch nicht.) Mittlerweile ist der Club aberdavonabgekommen, jeden herauszuholen,der dem Gusto der Chefs nichtentspricht. Auch weil sich das Publikummittlerweile selbst reguliert undweilwir unsnun mehr leisten können, weilwir eine starke Marke sind',sagt Weiss. Unter Vollprolet' verstehter übrigensauftrainierte Männer mit Goldkettenund Muskelshirt'. Ansonsten sei jeder willkommen,der lieb und cool' und über20 ist. Auch im Wiener Prater Dome hatmaneine Vorstellung davon,wer hineingehen darf. Keine wirklich Angetrunkenen', dafür Frauen und Männer ab 18,die ordentlich gekleidetsind'. Da das Publikum den breiten Mainstream'vertritt und mitunter auch älter ist (immerhin werden im Prater Dome auch Schlager gespielt), drücktman schoneinmal ein Augezu. Dann sagen wir: Das nächste Mal ein bisschen stylisher', sagt Clubmanager Holger Pfister. Ordentlich angezogen', das bedeutetfür ihn: Keine zerschlissenen Hemdenund schongarkeine Jogginghose.' Auch mit Sneakers dürfeman hinein,wenndie nichtzu abgetreten sind. Der Schuh, ein Problem? Da ist er alsowieder, der Turnschuh. Dessen Mysterium ist ja ein bis dato eher ungelöstes. Denn einerseits hates der bequeme Alltagsschuh bis auf die Pariser Laufstege geschafft, andererseits wirderständig als Begründunggenannt, warum jemand nicht in einen Club darf. Eine Antwort darauf hat vielleicht Lukas Grünbichlervon der Babenberger Passage, der sich immer wiederärgert,dass die Passage den Ruf hat, Leute mitden falschen Schuhen nichthineinzulassen. Auch mit Turnschuhen und TShirt kannman einen lässigen, coolen Style haben. Es kommtauf den Gesamteindruckan. Uns ist es einfachwichtig, dass die Leute nicht irgendwiedaherkommen', sagter. Interpretiertman Grünbichlers Erzählungen richtig,dann sindes oft Kommunikationsprobleme, die den Turnschuhso wichtig erscheinen lassen. Es ist schonso,dass manchmaldie Securitys jemandenhereinlassen,den die Geschäftsführung nichthereinlassen würde und umgekehrt',erzählter. In ständigen Briefings wird daher versucht, den Türstehernbeizubringen,wer optisch erwünscht ist undwer nicht. Was mitunter schiefgehenkann. Nichtzu sportlich' kann dannals kein Turnschuh' interpretiertwerden. Und dannmusst du dem Security erklären, dass die Sneakers, dieereben abgewiesen hat, mehr gekostethaben, als die Jacke, dieerselbst trägt',erzählt Grünbichleraus früheren Zeiten. Mittlerweile ist der aktuelle Security Chef modeaffiner als der Durchschnittsbürger. Eineenorme Hilfe. Verständnis für die Kollegenvor der Türe herrscht trotzdem. Dasist echt ein harter Job. Als Securitymussdu innerhalbvon ein paar Sekunden jemanden einschätzen. Natürlichpassieren da Fehler', sagter. Einig sind sich jedenfalls alle, dassdie Mischung wichtig ist. 50 Prozent Frauen, 50 Prozent Männer und dannausallenmöglichen Gesellschaftsschichten. Nur die Coolstenvon den Coolen, das geht auch nicht, das wärezu Underground', sagt etwa Weiss vonder Pratersauna. Rund 150 bis 200 Leutewurden in der Pratersauna in den Anfangsjahren in einer Nacht abgewiesen. Wegen der Kleidung, weil jemandungut war oder einfach vielzu betrunken. Im riesigen Prater Dome sindes laut Pfisteran einem guten Abend 50 bis100. Ehrlich istman dabei selten, Dukannst einem Vol/proleten 'ja nichtsagen, dass er einer ist', sagt Weiss. Alsowerden Ausreden erfunden,die im Übrigen in allen Lokalen gleich sind. Geschlossene Gesellschaft' oder Heutenurfür Stammgäste', währendsich hinter einem die 200 Meter lange Schlangeauftut. Auch die Schuhe sindÜberraschungoft reine Ausrede. Ausländer, draußen bleiben. Sätze wiediese hat Kaan K. schonzur Genügegehört. Der 24jährige Wiener wurde in Wien geboren, seine Familie kommtaus der Türkei. Irgendwann ist mir der Spaß vergangen',sagt der Student. Vorallem bei Lokalen in den oberen Stadtbahnbögen seier regelmäßig abgewiesen worden. An der Kleidung kann esnicht liegen, die wählter für Partyabende eher schick. Und dochmuss erimmer wieder zusehen, dassseine Freunde eingelassen werden undernicht. Bei mir heißtes ,nicht schön genug', und daneben gehen die Leute mit Turnschuhen hinein. Das istsofrustrierend', sagt er. Mittlerweile agierter für den And Rassismus Verein Zara auch als Lokaltester und zeigt immer wieder Clubsan,wenn er das Gefühl hat, dass sie ihmden Eintritt rassistisch motiviertverweigern. Was ihm im April 2013 in einem Fall auchvonder Gleichbehandlungs Lokaleintritt: Der Turnschuh,die ewige Hürde Prater Wien VON EVA WINROITHER kommission bestätigt wurde. Meine Freunde finden das eh nichtso gut,wennich die Polizei rufe. Aber für michist das richtig. Dennso werden schon Teenagervon ihren Freunden getrenntund gehennur mehr mit ihrer ethnischen Gruppe fort',sagt er. Dass Türsteher immer wieder auch gezielt Ausländern den Eintritt verwehren, bestätigt auch Christian Trummer, der eineeigene Security Firma in Wien betreibt. Ein gewisser Prozentsatzwilldasnicht.' Trummer istseit mehr als20 Jahren im Geschäft und hat auchschon alle mögliche Kleidervorschriftenerlebt. Von Man darfnur mit Hemdherein'bis zu Keine Shorts'bei30 Grad im Sommer. Verstehen kannerdiese Vorschriften nicht. Das ist ja völlig schizophren. Die Leute können sichja nicht ständig umziehen,wenn sie das Lokal wechseln',sagt er. Ginge es nachihm, könnteman den Diesscode abschaffen: Einenunguten Gast, sagt er,erkenneman nämlich an allem Möglichen. Aber nichtan seinen Schuhen.## FAKTEN150 bis 200 Besuchersind in den Anfangsjahren in der Pratersauna an einem Abend schon einmalabgewiesen worden.50 bis 100sind esheute noch Imriesigen Prater Dome. Der Turnschuh istmeist eher Ausredeals tatsächlich ein Grund, warum Clubsjemandem den Einlassverwehren. Ausländern werde oftgezielt der Zugangverwehrt, bestätigt Christian Trummer,der eine eigene Security Firmabetreibt. Prater Wien VON EVA WINROITHER Lukas Grünbichler von der Babenberger Passage und Chef Security Ren ä (v. I.) wissenumdie Probleme Eswar ein lauer Sommerabend im Münchner Glockenbachviertel. Nils Kratzer wollte mit einem Spezi nochauf einen Absacker gehen. Ihr Ziel: das Cafeam Hochhaus, eine schwer angesagte und entsprechend volle Bar. Doch ein Zerberus verwehrte ihnenden Eintritt. Nichtetwa, weil sie stilistischaus dem Rahmen fielen oder betrunken wirkten. Nein,ganz simpel: Ichmusssehen, dass nichtsoviele Männer hereinkommen', erklärte der Türsteher. Denn drinnenwaren zu wenig Frauen, und das will der Wirt nicht. Dawar der Lokalbesitzer aber anden Falschengeraten. Denn der solcherart Erniedrigtewar Anwalt undwitterte wohl sogleich die Chance aufeinen Musterprozess, Die Basis: Gleichbehandlungsgesetz, Benachteiligungaus Gründen des Geschlechts'. Die Szene begannzu zittern. Klar: Werständig türkisch oder arabischaussehende Gäste abweist, der diskriminiert. Das sehen alle ein, zumindest offiziell. Aber dass ein Türsteher für einausgewogenes Geschlechterverhältnis sorgt,damit eine angenehme und freundliche Atmosphäre' entsteht, istgang undgäbe. Wenner auch das nicht mehrdarf, steht seineganze Zunft infrage. Und das gedemütigte Partyvolk könnteendlich offene Türen einrennen. Der Wirt und seine Anwältin wehrten sich vor dem Amtsgericht: Der Gesetzgeber erlaubt eine unterschiedliche Behandlung,wenn sie Gefahrenvermeidet. Zu viele Männer in der Bar,das heiße auchzu viel Alkohol, zu viel Aggressionspotenzial', mehr sexuelleübergriffe. Diese Argumentationempörte den Klägererst recht: Ich belästige keine Frauen!' Die Richterin würdigte jedoch als rechtserheblich', dassder Einlassstopp janur vorübergehend' galt. Heraus kam kein Präjudiz,nur ein harmloser Vergleich. Und fürdie ausgestoßenen deutschen Männerdarfes weiterheißen: Ihr müsst leiderdraußen bleiben.'1/1/ Die Würde des Mannes istantastbarfür Türsteher» Sorry, wir lassennurnoch Frauen herein«: Der Einlassklassikerführte in München fastzum Musterprozess.le VON KARL GAULHOFER Prater Wien VON EVA WINROITHER Ausländer abgewiesen Gästezahlvervielfacht In Tirol wurden einst Lokalewegen ihrer Türpolitik medialgescholten. Geschadet hatesihnen nicht..4, VON KOKSAL BALTACIEs war einmalum die Jahrtausendwende in Innsbruck. In einem schicken Innenstadtcafe wurden dreijunge Männerzwei Türken undein Grieche am Eingang abgewiesen. Mit einer lächerlichen, geradezu provokanten Begründungsieseien keine Stammgäste. Keinegroße Sache, sollteman meinen. So etwas passiert jeden Tag vor Discos, Bars und Cafes inganzÖsterreich. Für diese drei Männerallesamt aus der Gastronomiebranche war esaber eine große Sache. Schließlichwaren sie nicht betrunken, hatten sich schickangezogenund wurden noch nie in ihrem Leben eines Lokals verwiesen. Also wandten sie sichan einen Anwalt, der ihnen aber nicht weiterhelfen konnte. Denn der Betreiber hatte keinen diskriminierenden Grund für die Abweisunggenannt. Anschließend sprachensiebeimehreren Lokalpolitikernvor. Diese zeigten sich zwar durchaus schockiert über den Vorfall, erklärtenihnen aber ebenfalls, dassmanrechtlich nichts unternehmen könneweil nicht nachzuweisensei,dass siewegen ihrer ausländischen Herkunft abgewiesen wurden. Tagelanges Medienspektakel. Aberdie Männer gaben nicht auf und informierten die Medien der Stadtüber die Demütigung, die ihnen widerfahrenwar. Die großen Zeitungen griffen den Fall nur allzu gernauftagelang ginges in Innsbruckum nichts anderes als um das Lokal, in dem Ausländer offenbarnicht willkommen sind. Der Betreiber fühlte sichsogargenötigt, in einer öffentlichen Stellungnahmezu betonen, er sei kein Rassist. Er fürchtete nichtnur umseinen guten Ruf, sondern machtesich nach all der negativen Berichterstattung auch um die Zukunft seines Lokals Sorgen. Einen nachvollziehbaren, befriedigenden Grunddafür,warum die Männer nicht insein Cafe durften, blieberallerdings schuldig. Konsequenzen gabes dennoch keine. Schon baldwuchs Gras über die Sache, und die Dinge nahmen wieder ihrengewohnten Lauf. Einige Jahre später spielte sichin einem der sogenannten Bogenlokale (vergleichbar mit den Gürtellokalenin Wien) etwasganzÄhnliches ab. Diesmal war es eine Gruppe von Farbigen, die ohnevernünftige Begründungander Türabgewiesen wurde und die Weltnicht mehr verstand. Wieder berichteten auflagenstarke Zeitungendarüber. Und wieder wurde die betroffene Baran den Pranger gestellt. Es gab sogar Boykottaufrufe. Eine Zeit lang hatte die Betreiberinsogar Angstvor Anschlägen auf das Lokal. Auch hier beruhigte sich die Lage nach einigen Wochen. Schuss ging nach hinten los. Wasaber kaum einer weiß: Nach den Medienberichten stiegen die Umsätze in den beiden Lokalen. In den Monaten und Jahren danachvervielfachte sich die Zahl ihrer Gäste. Die Absichtder abgewiesenen Männer und in weiterer Folge auchdie der Medien, den Lokalen einen Denkzettel zuverpassen, verfehlteihre Wirkung nichtnur, sie hatteden umgekehrten Effekt. Zum einenwar es die kostenlose Werbung',von der die Lokaleprofitierten. Undzumanderen hatte man unterschätzt, wie viele Menschenes in Innsbruck (und Umgebung) gibt, die sichgern in Lokalenmit keinen oder wenigen Ausländern aufhalten. Dafürwar eine restriktive Türpolitikgar nichtmehrnotwendig, denn die ausländische Community hatte man ohnehinschon vergrault. Mittlerweile hat eines der Lokale expandiert und ein weiteres Cafe eröffnet. Das andere hingegenwurde geschlossen. Die Betreiberinwollte kürzertreten./1//