Prater Wien Stefan Petzner 18.09.2014 für Prater Wien Gmb H und Wiener Praterverband zum eigenen Gebrauch nach §42a Urh G. Stefan Petzner posiertbei Madame Tussauds' im Wiener Pratermit der Wachsfigurseines großen Idols Udo Jürgens. IEsist das Jahr 1995. Im Radioläuft Gangsta's Paradise'raufund runter, Bruce Springsteenerhält den Grammyfür seinen Song Streets of Philadelphia',und Michael Jacksonversuchtmit History
[MEHR]' ein Comeback. In einemkleinen Plattenladen imsteirischen Provinzstädtchen Murau abersteht einvierzehnjähriger Teenie ander Kasse undblättert knapp200 Schilling für etwasganzanderes auf den Ladentisch. Es istdas eben erschienene Album Zärtlicher Chaot' von Udo Jürgens,das er in seinen Händen hält. Lange hatte erzwischen denunzähligen CDPlastikhüllen mitihrenknallbunten Cover Bildchendrauf gewühlt, um in der Abteilung Volksmusikund Schlager'fündigzuwerden. Eherbeiläufig, eher zufälligund erst nacheinigen Anläufen. Erkratzte nämlich aus Scham mehrmals die Kurve,weil er nichtim Schlagereckangetroffen werdenwollte, als Gleichaltrige die CDAbteilungf Aer.)/freyhinefet4 4/ Jeiekrfrei.9/.tierema Jef Mie/er4 .21ee/.betraten. Wonachda alle anderen giertenund was da mit dem Argumentder Top Ten' als Verkaufsschlager angepriesenwurde, behagteihm aber eben genausowenig wie die Musik, die seine Klassenkol NEINS38/14 Prater Wien Stefan Petzner 18.09.2014 für Prater Wien Gmb H und Wiener Praterverband zum eigenen Gebrauch nach §42a Urh G. NEW%legen horten, oder wiedas, worn it die Radiosender das Harervolkdauerbeschallten. Udo Jargens, diesen Schlagerfuzzi kenntdoch jeder, mit seinemgriechischen Weinund dem Credo,dass mit 66 Jahren das Leben erst anfangt',dachte er sich, als erdessen neue CDherauskramte, nach derereigentlich nur gegriffenhatte, well ihmdas Albumcover mitdieser knallroten Schrift auf arktisblauem Hintergrund ins Auge gestochen war. Er drehtedas Plastikquadrat auf die Rackseite, um die Listeder Songtitelzustudicren. Meine Antwort,berwerfe den ersten Stein', Heuteder Itcstdeines Lebens'stand dort(toter auderemzu lesen. ,. Klingt gut.glingtverdam'tut gut', urteilte er, Illit dicseni Wk..4!..4n Argument im Kitsseaurzutreten. Er 1st der Soundtrackmeines Lebens. Zuseinen Liedern babeich geliebt,gelacht,geweint. Zum 80er von LIDO IIIRGEN$schreibt Haiders Polft Ziehsohn STEFANPETZKRerstmalsfiberseineganzbesondere Leidenscita Dieser Junge damals warich. Und ausmeinem ersten Jiirgens Album im Jahr1995 sindmittlerweile an die 60 geworden. Immer wiederwurde mir in diesen19 Jahrendazwischen die Fragegestellt,warum Udo Jiirgens undseine Liedermeine Lieblingsmusiksind. Frauenheld mit anderer Moralvorstellung. Ausgerechnct Udo Jargens, wodoch defacto niemand aus meiner Generation mehr Schlagermusik hart! Ausgerechnet jener Udo Jargens aus dem Karntner Ottmanach,vondem Politrabauke Kurt Scheuch verlangte, semen Karntner Landesorden zurackzugeben, well er immerwieder Wentlich die Politik der FPO und Jorg Haianprangerte. Dieser Frau Jargens, der so ganzlicstellungen hat, soandere gesellschaftliche Ansichten vertrittund eine volliganderepolitische Haltung alsdie meinige einnimmt. Anlasslichdes bevorstehendenachtzigsten Geburtstags von Udo Jargensmochte ich nunhier antworten. Ja, richtig, Udo Jargens stehtpolitischganzwoanders als ich. Undauch mit seiner Art zu lebenund zu lieben binich Oberhaupt nichteinverstanden. Darumgeht esaber auch nicht. Denn mich interessiertnicht, was der Mensch Udo Jargens ist,sondern was der Kanstler Udo Jargenssingt. Umverstandlicher zumachen, wasich damit meine, folend Jahr1rsurch eine Einladungerdamaligen Betreiber der Klagenfurter Seebahne gelungen, Jorg Haider zu einem Udo Jargens Konzert am Ufer des Prater Wien Stefan Petzner 18.09.2014 für Prater Wien Gmb H und Wiener Praterverband zum eigenen Gebrauch nach §42a Urh G. bayerischen Chiemsees mitzuschleppen. Wahrend Haidervor Beginn noch aus Widerwilligkeit fiber dasvorihm liegende Konzert meckerte und erklarte, dasser Udo Jfirgens fiir unehrlich halte, dieseruns sowieso nur dauernd attackiere under deswegen auch meine Begeisterung fur ihn fiberhaupt nicht verstehen konne,antwortete ichmit einem Schmunzeln: Du wirst michbald verstehen', undwartete einfach ab. Wahrend des Konzerts passierte danngenau, wasich erwartet hatte: Tonurn Tonversank Jorg Haider tiefer in seinem Sitzplatz, Akkordurn Akkord ergriffenerwurdeer,und als Udo Jfirgens, derganzoffensichtlich Haider langst im Publikumerblickt hatte, nach einer direktan Haidergerichteten Anspielung in der Anmoderation seines Liedes Ich wfird'eswiedertun' dieses sodannzuspielen begann,standen Haider Tranen der Rfihrunginden Augen. Im Lied heigtes: Der unbescheidene Grofienwahn, den manchmalmannicht bremsen kann. Dasfalsche Wort,amv011igfalschen Ort ich wiird'eswiedertun. Der beste Freund, der keiner blieb,michanden Rand des Abgrunds trieb. Die Fantieduett. Petzrer lacheltungeiwungen,der gro Be jubilarem n Mein wenigschablonenhaft.falsche Wahl und dennoch allemalichwiird'es wieder tun.' Mit dieser Reaktion Haiders ist auchdas Phanomen Udo Jfirgens und meine Faszination fur ihn erklart: Neben grandioserund hochwertiger Musik Udo Jfirgens hat0eh fieleileel)exmie Anwitaeredelre.(5'ekkeic7./waxertrereilawdeit.im Unterschiedzuvielen Einwegstarsvonheute Klavier, Harmonielehre, Kompositionund Gesang studiertsindes vorallem die Texte, die ihn ausmachen. Uber1.000 Lieder hat Udo Jfirgens bis heute geschrieben. Undwerglaubt,es handle sich dabei nururnplatten Schlagergesang rundum Liebe, Luft und Weltfrieden, der irrt gewaltig. Udo Jfirgens ist weniger Schlagersanger,sondern vielmehr Chansonnier. Denn nebensemen allseits bekannten Schlagerhits hat Udo Jiirgensvorallem auch wahre Perlender Poesie mit nahezu philosophischanmutendem Tiefgang abgeliefert. Oft ironisch Lind provokant, nicht selten gesellschaftskritisch, jasogaraufriihrerisch und mitunter auch hochpolitisch. In fiber 50 Jahrenmusikalischen Schaffens gibtesdenn auchfast nichts,was Udo Jfirgens noch nichtbesungen hatte. Sogar emnsimpler Kuhlschrank ist darunter. Undso 1st esnicht welter verwunderlich, dass es faktischzujedererdenklichen Lebenslage emn passendes Liedvon Udo Jiirgens gibt. Der Klempner für meine Seele. Musik kann Hoffnung und Halt geben, Trost spenden und Mut machen, Sinn stiften und Wege weisen, helfen und manchmalsogar heilen. Fur die Musik von Udo Jfirgens trifft das wahrscheinlich mehrzuals auf andere. Das macht ihn und seine Lieder fur vielezu einer Art Klempner furdie Seele und Coach durchs Leben. Auchfur mich. Nicht selten habe ich in schwierigen Situationen und bei mfihevollenoder schmerzlichen Etappen des Lebensauf seine Musik zurfickgegriffen,urnmichanihr wieder aufzurichten undweltervorwartszukommen. Meine ersten Liebesbriefchen im Pausenhofstrotzten nur so vor Zitierungen aus Udo Songs. kh brauche siedie Zweifel,die du hegst, sic sind emn Teilvon mir, der Teil, der uns erhalt', hieges da schmachtend. Das fiberzeugte. Meistens zumindest. Auch dann, alses darum ging, sich wiederelegantausdem Staubzu machen. Dannhiegeseben reumfitig: kh weifl, okay. khhab' das Gliick zerstort mit eig'ner Hand. Undwennich zwischenunsdie Scherbenseh', dann wiinsch' ich mir doch,etwas Freundschaft bliebe noch, okay?' Auch als spater der wirkliche Ernst des Lebens begann,war Udo Jiirgensso etwaswie em n imaginarer treuer Wegbegleiter, dermit semen Liedern auch dannzur Stellewar, als es wirklich brenzlig und oft aucheinsam urn mich wurde. CDPlayer auf On' schalten, volle Kanne Volume' gebenund los ging's. Adler sterben und die Rattengedeihen. Tausend Scherben. Statt Wahrhaftigkeit Schein,nur Schein', ertonte etwain meinen vier Wanden, als emn gewisser Uwe Scheuch die Kammer Landesparteispaltete und sich Strache anschloss. Prater Wien Stefan Petzner 18.09.2014 für Prater Wien Gmb H und Wiener Praterverband zum eigenen Gebrauch nach §42a Urh G. Ich lass euch alles da. Meine Welt, wieich sie sah. Gebt mir noch eine Handvoll Zeit. Ich lass euch alles da. Alles, was mirwichtigwar. Der Weg hinaus ist nicht sehrweit, erklang in den Stunden nach Haiders Tod. Und als sich wegen meiner Tränenvorlaufenden Kameras der Spottder Öffentlichkeit über mich ergoss unddie Berichterstattung der Medien wie ein Tsunami über mich hinwegfegte, da warbei folgenden Liedzeilen trotzend der Replay' Knopf gedrückt: Wir sitzen allzuoft als Moralisten entrüstet über anderezu Gericht. Als ob wir über das Leben alleswüssten. Nur wer da glaubt, er habe nichtsvon Kain, der werfe den ersten Stein.' Aberzürückzu jenem Jürgens Konzertabend mit Jörg Haider am Chiemsee: Duwirst mi.ii bald verstehen',hatte ichvor Konzertbeginnzuihm gesagt. Verstehstdu jetzt?', fragte ich nunmehr, nachdem Jürgens sein Ich würd' es wieder tun'fertiggesungenhatte. Haider antwortetenicht. Er hatte also verstanden. Ich hoffe, Sie tun es nun ebenso. Auch, warum ich den Menschen Udo Jürgens nicht kennen muss,umden Musiker zu lieben. Wobei: Nichtkennen ist nicht ganz richtig. Denn zumindest kurz getroffen habe ich ihn, auch wennsich Herr Jürgens heute nicht mehr daranerinnern kann oder vielleichtauch will. Erinnerung an Udound an den Chef. Weiler mir eine Freude machen wollte,marschierte nämlich Jörg Haider in der Pausegenau jenes Konzertabends unbekümmertansämtlichen Sicherheitsleutenund Ordnern vorbeimich nichts ahnend Diesmal echt. Das Bild mit Udohängt in Petzners Wohnzimmer.im Schlepptau, umschnurstracks die Künstlergarderobezu entern. Servas Udo!', schleuderte Haider einem sichtlichperplexen Udo Jürgens entgegen, währendsein ebenfalls anwesender Bruder Manfred Bockelmann, ein Maler und erbitterter Haider Gegner, seinen Kopf hinter einer Ausgabe der Bild Zeitung versteckte so,alswollte er sich kurz einmal in Luft auflösen. Die Frage von Udo Jürgens, was erdennhier mache, völlig ignorierend, ging Haidergleich dazu über, mich Udo Jürgens mit den Worten: Ich habe dir deinen größten Fanmitgebracht', direkt vor die Nase zu setzen. Mehr als ein zittrig vorgetragenes Hallo!'brachte ich allerdings nicht heraus, aber fürein Foto (siehe oben) hat esgereicht. Bis heute hängtdieses Foto eingerahmt an meiner Wohnzimmerwand. Als Erinnerung. Nichtnur an Udo Jürgens, sondern auch an einen Chef, der damals alle Hürden überwand,nur um mirals Mitarbeiter dieses eine Fotozuermöglichen. Stefan Petzner