Prater Wien Stadt Gottes Eine große Menschenmenge strömt jeden Samstag Nachmittag Richtung Riesenrad: zu Fuß, mit Scooter oder Fahrrad, im Joggingdress, mit Decke und Picknickkorb oder Reiseführer ausgestattet. Ziel der Einheimischen und der Touristen ist der Prater. Das etwa sechs Quadratkilometer große Areal im zweiten Wiener Gemeindebezirk besticht durch seine vielfältige Nutzung, vom weitläufigen Grünraum mi
[MEHR]t Wiesen und Auwald über eine große Zahl an Sportstätten bis zu den Attraktionen im Wurstelprater. Wie der ' Grüne Prater' verdankt auch der berühmte Vergnügungspark seine Entstehung Kaiser Joseph II., der im April 1766 den Zutritt für die Öffentlichkeit verfügte. Aus 'allermildest hegender Zuneigung' habe sich der Kaiser 'allergnädigst entschlossen', dass jedermann im Prater spazieren gehen, reiten und fahren dürfe', wie die Ankündigung in der Wiener Zeitung verlautbarte. Darin wird weiters angeführt, dass man sich hier auch am ' Kegelscheiben und anderen erlaubten Unterhaltungen' erfreuen könne. Sofort ließen sich Gastwirte und Schausteller im Prater nieder. Attraktion ' Wurstelprater' Gasthäuser, Ringelspiele, Schaukeln und Kasperlbuden lockten von Beginn an viele Besucher in den Prater. Der Andrang war so groß, dass anfangs sogar ein Zutrittsverbot für den Sonntagvormittag erlassen wurde, da offensichtlich zu viele Menschen einen Ausflug in den Wurstelprater dem Besuch des Gottesdienstes vorzogen. Doch bald verzichtete man auf diese Einschränkung und machte den Prater zu einem jederzeit frei zugänglichen Ort, was ihn bis heute auszeichnet. Etwas mehr als 70 Praterunternehmer gestalten den individuellen und besonderen Charakter des Wurstelpraters, wo neben hoch technisierten Fahrgeschäften auch jahrzehntealte Attraktionen wie die Liliputbahn, das Lachspiegelkabinett oder das Geisterschloss ihren Platz behaupten können. Der namengebende ' Wurstel' trat einst als unverwüstlicher Held des Kasperltheaters in kleinen Holzbuden auf und gehörte über Jahrzehnte zum fixen Repertoire der Prater Attraktionen. Andere Vergnügungseinrichtun1766 entschloss sich Kaiser Joseph II., den ' Bratter', das private Jagdgebiet der Habsburger, für seine Untertanen zu öffnen. Seither ist der Prater ein beliebtes Ausflugsund Naherholungsgebiet. Ein Streifzug durch die Geschichte von Elke Wikidal. und integrierten geschickt technische Neuerungen und Erfindungen in ihre Fahrgeschäfte. 1898 etwa ging hier die erste elektrisch betriebene Grottenbahn Europas in Betrieb. Um 1900 hatten die ersten Kinos der Stadt ihren Standort im Prater. Schon Jahrzehnte davor reagierte Basilio Calafati auf die Erfindung der Dampflokomotive, die er umgehend für sein Ringelspiel ' Zum großen Chineser' einsetzte. Die mächtige Karussellfigur eines Chinesen trug bald seinen Namen, und der Calafati galt über viele Jahrzehnte als Prater Institution, bis er 1945 zerstört und durch eine einfachere Nachbildungersetzt wurde. "quot;gt; Ausstellungen zum Jubiläum IN DEN PRATER! Wiener Vergnügungen seit 1766 10. 3. bis 21. 8. 2016, Di Sovon 1013 und 1418 Uhr 19. 6., 16 Uhr: Spezialführung von Kuratorin Ursula Storch Wien Museum Karlsplatz WEGE INS VERGNÜ GEN Unterhaltung zwischen Prater und Stadt 16. 3. bis 18. 9. 2016, So Fr von 1018 Uhr Jüdisches Museum Dorotheergasse dass jedermann im Prater spazieren gehen, reiten und fahren dürfe ...' oben Sonntagsbummel durch die Prater Hauptallee (1795) links Die Werbetafel soll die Besucher zur exotischen Tierschau locken (1931). fer' wurden einer sensationshungrigen Menge als anthropologische Spektakel vorgeführt. Schaurigskurrile Objekte Schaulustige drängten sich auch vor den Buden, die Menschen mit körperlichen Auffälligkeiten präsentierten: muskulöse, mit Bären ringende Athleten, ' Liliputaner' und Riesen, Rumpfmenschen, die artistische Kunststücke vorführten, oder siamesische Zwillinge. Diese Art von Schaulust gipfelte in der Praterbude von Hermann Präuscher, der in seinem ' Panopticum' schaurigskurrile Objekte ausstellte: Ein Wachsfigurenkabinett mit Folterinstrumenten und einer 'großen, internationalen Verbrechergalerie' oder in Spiritus eingelegte anatomische Präparate galten als besondere Attraktionen. Praterunternehmer reagierten immer rasch auf den Zeitgeist gen sind längst verschwunden, lockten aber im 19. Jahrhundert bis zu 20.000 Menschen in den Prater. Feuerwerksvorstellungen, die ganze Bildergeschichten in den nächtlichen Himmel zauberten, oder Luftfahrtexperimente, bei denen die ersten Heißluftballone des Landes vor einer riesigen Besucherschar in die Lüfte stiegen, galten als Sensationen. Ebenso gerne ließ man sich im Prater zu imaginären Weltreisen entführen und staunte im ' Panorama' über täuschend echte Stadtansichten. Das Publikum amüsierte sich im Affentheater, besuchte Gastspiele von Artisten und Schaustellungen von Wandermenagerien mit exotischen Tieren. Ethisch bedenklich bleiben die zahlreichen ' Völkerschauen', in denen 'exotische Menschen' Leben und Alltag fremder Kulturen demonstrieren sollten. ' Nubier Karawanen' oder ' Aschanti Dör Fotos: Wien Museum links Venezianische Erlebniswelt im Wiener Prater (1890) Blütezeit anschließen, dennoch blieb seine Bedeutung für Wien ungebrochen. Noch heute gehört der Vergnügungspark zum fixen Nachmittagsprogramm der Firmlinge aus Wien und Umgebung. Der ' Grüne Prater' Besondere Bedeutung für Spaziergänger, Jogger und Reiter hat nach wie vor der ' Grüne Prater', das Lusthaus am Ende der Prater Hauptallee und die Wallfahrtskirche Maria Grün sind auch heute beliebte Ausflugsziele. Dort findet man auch noch Reste der ursprünglichen Auwälder, die sich vor der Regulierung der Donau entlang der zahlreichen Flussarme ausgebreitet hatten. Während die Praterwälder als Landschaftsschutzgebiet unberührt bleiben, verändern sich andere Teile des Praters ständig weiter und bieten Raum für neue Bauprojekte wie die Wiener Messe oder den Campus der Wirtschaftsuniversität Wien. REPORTAGE Die große Wiener Weltausstellung von 1873 veränderte den Prater grundlegend. landschaft am eigens angelegten Kanal. Ähnliches hatte schon der Unternehmer Gabor Steiner 1895 auf der ' Kaiserwiese' mit großem Erfolg umgesetzt. Er baute eine venezianische Erlebniswelt nach, mit Palazzi und Kanälen, die mit Gondeln befahren werden konnten. Der Vergnügungspark ' Venedig in Wien' bestand einige Jahre und bot ständig neue Attraktionen, darunter das Riesenrad, das sich einst mit 30 Waggons drehte und zu einem Wahrzeichen Wiens wurde. Als eines von wenigen Prater Attraktionen überlebte es den Brand im April 1945, der fast den ganzen Wurstelprater zerstörte. Doch bereits 1947 ging das Riesenrad, nunmehr mit 15 Waggons, wieder in Betrieb und der Wurstelprater fand einen Neuanfang. Er konnte zwar nicht mehr an die Die große Weltausstellung von 1873 veränderte den Prater grundlegend. Einfache Holzbuden wurden durch elegante Gebäude ersetzt, Länderpavillons ermöglichten eine architektonische Weltreise vom orientalischen Bazar bis zum japanischen Garten. Wahrzeichen: Riesenrad Im Mittelpunkt der Ausstellung stand die 85 Meter hohe Rotunde, ein Kuppelbau, in dem bis zum Brand 1937 Großveranstaltungen stattfanden. Mit unvorstellbarem Aufwand baute man rund um die Rotunde Kulissenstädte, wie sie etwa für die Jagdausstellung 1910 oder die Adria Ausstellung 1913 entworfen wurden. Für Letztere entstand eine künstliche Küstenlinks Autodrom Wagen (ca. 1965) rechts Für die Männer: Kräftemessen mit dem Watschenmann (um 1955)