Montag, 11. Februar 2008, 23:19:42 Uhr, NZZ Online Nachrichten › Kultur › Literatur und Kunst 14. Januar 2008, Neue Zürcher Zeitung Blüht im Wiener Prater die Korruption? K ontroverse um ein Million enprojekt der Stadt Wien Ohne Ausschreibung hat die Stadt Wien anscheinend das Millionenprojekt für die Erneuerung des Eingangsbereichs im historischen Vergnügungspark, dem Prater, vergeben. Kritiker sprechen von
[MEHR] Versch andelung im Las Vegas Stil, die Grünen vermuten Günstlingswirtschaft. cer. Wien, Anfang Januar Im Prater blühen zwar noch lange nicht, wie im Wienerlied besungen, die Bäume. Dafür aber treibt in den kältestarren Alleen die Günstlingswirtschaft ihre winterlichen Blüten – so zumindest argwöhnen die Wiener Grünen. De r Komponist jenes klassischen Wienerliedes, Robert Stolz, hat hier im Prater selbstverständlich ein Denkmal in privilegierter Lage: mit Blick auf das Riesenrad, das wichtigste Wiener Wahrzeichen. Der Gedenkstein für den Komponisten von rund 60 Operetten – er war der Letzte dieses Genres, ein musikalisches Auslaufmodell sozusagen – erinnert allerdings weniger an heitere Operettenklänge als vielmehr an einen Grabstein, und die vom Stad tgartenamt davor gepflanzten, mehr tristen als dekorativen Kohlköpfe machen die Sache auch nicht besser. Zwischen Kitsch und Historie Im kommenden Frühling jedoch werden im Prater nicht nur programmgemäss die Bäume blühen – es wird auch sonst heiter: Denn schon jetzt blickt Wiens letzter Operettenkomponist von seinem Gedenkstein aus nicht nur aufs Riesenrad, sondern auch auf die meterhohen Betonwände von Rohbauten, hinter denen sich eine 19 000 Quadratmeter umfassende Grossbaustelle verbirgt: Der Eingangsbereich zum sogenannten Wurstlprater Seite 1von 3 Blüht im Wiener Prater die Korru p tion? ( Kultur, Literatur und Kunst, NZZ Online ) 11.02.2008 htt p ://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur _ und _ kunst/blueht _ im _ wiener _p rater _d ... ( Wurstl hiess im alten Wiener Volkstheater der Hanswurst oder Kasperl), dem Vergnügungsteil des weitläufigen, grünen Praters, wird gegenwärtig neu gestaltet; die Eröffnung ist, wie den Plakatwänden zu entnehmen ist, be reits für den 27. April geplant. Auf einer Website malt der von der Stadt Wien beauftragte Generalunternehmer « Explore 5 D» die Zukunft des historischen Vergnügungsparks in leuchtenden Farben und historisierenden – manche sagen schlicht: kitschigen – Formen. Gaukler haben im « Wurstlprater» zwar Tradition, doch der geschwungene, kulissenhaft wirkende Gebäudekomplex wird dem Besucher eine Geschichte vorgaukeln, die es ganz gewiss so nie gab – eine falsche Vergangenheit wird da aus der Retorte gezaubert, stilistisch irgendwo zwischen Las Vegas und Disneyland. Im Innern der neuen Gebäude, di e sich um das altehrwürdige Riesenrad gruppieren, sollen de m Publikum allerlei neue Attraktionen und technische Sensationen, Restaurants und die obligaten Souvenirshops geboten werden. « Explore 5 D» ist des Weiteren auch für di e lukrative Vergabe der Räumlichkeiten an die Pächter zuständig und ebenso für die Auftragsvergabe an die rund 20 Unternehmen, die für die Erstellung der Bauten, sowie 35 Firmen, die für Fassadengestaltung und Innenausbau verpflichtet wurden. Auch wird « Explore 5 D» zwei Prater Attraktionen selbst betreiben. Zweifelhafte Transparenz Mit alledem soll dem seit Jahrzehnten sanierungs und wiederbelebungsbedürftigen Wiener Wurstlprater rechtzeitig zur Euro 08 neues Leben eingehauch t werden. Die eigentliche Crux an dem Grossprojekt, das mindestens 32 Millionen Euro kosten wird, ist, dass es von der sozialdemokratisch regierten Stadt Wien ohne die erforderliche Ausschreibung vergeben wurde. Die Beschlüsse über das Riesenprojekt wurden anscheinend nicht mit demokratischer Transparenz, sondern hinter verschlossenen Türen gefasst. Die zuständige Stadträtin Grete Laska rechtfertigte die Direktvergabe des Millionenauftrags an « Explore 5 D» damit, dass die beauftragten Architekten sich nicht hätten verwirklichen wollen, sondern bereit gewesen seien, sich an die thematischen Vorgaben zu halten. Wer allerdings diese seltsamen « Vorgaben» wohl unter dem Motto «pseudohistorisch» ausgetüftelt hat – darüber herrscht Schweigen. Und erfolgreich realisierte Projekte, mit denen sich « Explore 5 D» fü r den millionenschweren Auftrag qualifiziert haben könnte, sucht man vergeblich; die bisher verwirklichten Projekte haben sich eigentlich alle als konkursträchtige Flops erwiesen. Die Projektvergabe wurde gena ugenommen nicht von der Stadt selbst, sondern von der « Stadt Wien Marketing und Prater Service Gmb H» vorgenommen – einer allerdings zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien befindlichen Gesellschaft. Für die Seite 2von 3 Blüht im Wiener Prater die Korru p tion? ( Kultur, Literatur und Kunst, NZZ Online ) 11.02.2008 htt p ://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur _ und _ kunst/blueht _ im _ wiener _p rater _d ... ( Server5646) Stadtplanungs Sprecherin der Wien er Grünen, Sabine Gretner, eine ausgebildete Architektin, rechtfertigt diese Konstruktion noch lange nicht den Verzicht auf di e öffentliche Ausschreibung und auch auf das erforderliche Raum verträglichkeitsgutachten. Für Gretner wurde die Wiener Bauordnung ausgerechnet von der Stadt Wien, die doch mit gutem Beispiel vorangehen sollte, mit Füssen getreten. Das Thema « Freunderlwirtschaft» Die grüne Gemeinderätin hatte de nn auch die Angelegenheit dem Kontrollausschuss der Stadt vorgelegt. Der SPÖdominierte Ausschuss hat die Prüfung der Sache ohne Begründung abgelehnt, doch die Grünen werden nicht lockerlassen. Der Gründer von « Explore 5 D», Gerhard Frank, kennt offenbar den sozialdemokratischen Bürgermeister Michael Häupl, der seine Stadt zwar erfolgreich, aber da nk absoluter Mehrheit wie ein Autokrat regiert, offenbar schon aus der Studienzeit. « Freunderlwirtschaft» nennt man das hier mehr augenzwinkernd als alarmiert. Vielleicht liegt hier des Praterrätsels Lösung – zumindest vermuten dies die oppositionellen Grünen. Zeitgleich mit dem Lenz dürfte im Prater bald ein handfester Skandal aufblühen. Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur /literatur_und_kunst/blueht_im_wie ner_prater_die_korruption_1.650889.ht m Copyright Neue Zürcher Zeitung AG Alle Rechte vorbehalten. 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