Wiener Zeitung 11.09.2010 ZWISCHEN JOB UNDFAMILIE: DIE ZDER PFLEGWennes ums Alter geht, sindwir Meister der Verdrängung,sagt die Altersökonomin Ulrike Schneider. Eine immer größere Zahl von Menschen wird in Zukunft pflegebedürftig sein, immer weniger jüngere Menschensind da, diese Pflegezuleisten. Das Familienmodell istan seine Grenzen gestoßen. Interview Cathren Müller Sie haben ein Fragezeichen hinter die Schönen A
[MEHR]ussichten' soder Titel Ihres Vortrags beim Forschungsfestgesetzt, was lässt Sie daran zweifeln? Nunja, ob es gute Aussicnten sind odernicht, hängtu.a davon ab, wie ywir die Fakten bewerten. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in Zukunftstark ansteigen, wenn die Babyb000mer' (die Jahrgänge ca 1950 bisca 1965 Anmerk.), alt werden Stelltman die damitverbundenen Kosteninden Vordergrund,wie das häufig geschieht, isteseine schlechte Aussicht. Siehtman die Beschäftigung und den Umsatz, dannsind es gute Aussichten Unabhängigvonder Bewertung habe ich die Möglichkeit,die Zukunft so zu gestalten, dass die Herausforderungen bewältigt werdenkönnen Was sind die großen Herausforderungen in Bezug auf die Pflege? Zunacnst ist es eine dernografische Heiausforderung Die Zahl älterer pflegebedürftiger Menschen steigt und gleichzeitig sind weniger Menschen jüngeren Alters da,um diese Hilfe anzubieten. Dienachrückende Generation wird zugleicham Arbeitsmarkt stärker gefordert, die Lebensarbeitszeit verlängert sich. Dadurch treffen öfter familiäre Pflege und Berufstätigkeit aufeinander. Die zweite,lerausforderung ist die Bereitstellungder entsprechenden Infrastruktur. Wirverlassen uns momentan7 U sehr darauf,dass die Familien die Pflege auch künftig zu großen Teilen bewaltigen. Dieses Modell stößt aberan seine Grenzen Wirbrauchen daherneue Wohnformen, mehr Tageszentrenusw. Die Zahl der Demenzkranken wird steigen, d.h. zukünftig sindmehr ältere Menschen körperlichvielleicht fit, haben aber kognitive Problemeund daraus erwachsende Betreuungsbedarfe Für diese brauchen wir innovativetechnische Lösungen Nicht zuletzt (unddamit zusammenhängend)muss sich das Berufsbild der Pflege andern_ Die dritte Herausforderung istdie Finanzierungder Pflege: Neue, intelligente Angebotekosten Geld Wie könnten die Herausforderungenbewältigt werden? Man kann auf einer individuellen Ebene ansetzen und die Babyboomer voneinem gesünderen Lebenswandel überzeugen: mehr Sport, gesunde Ernahrung, soziale Netzwerke Wir müssenaber auch den pflegenden Angehörigenhelfen, denn fürsie sind die Grenzender Vereinbarkeit bald erreicht. Unsere Wiener Studiezur informellen Pflegehat gezeigt, dass 50 % der befragten Pflegepersonen mindestens 13 Stundenin der Woche aufwendet. Hinzu kommender Haushalt und, teilweise, der Beruf. Wer pflegt und erwerbstätig ist, kannsich weniger erholen und ist gefährdet,selber krank zu werden. Verlängert sichdie Lebensarbeitszeit werden deutlichmehr erwerbstätige Menscheneinesolche familiäre Pflegeverpflichtung habeneine Belastung, auf die sich auchdie Betriebe einstellen müssen. Die Programme, die es für junge Eltern gibt,reichen nicht aus, denn die Bedurfnissevon pflegenden Angehörigen sind andere Auch im Bereich der professionellen Pflege besteht Handlungsbedarf Wirhaben heute schon einen Mangelan Fachkräften, der teilweise noch durch Migrant1nnen kompensiert wird. Steigen die Lohne in den Herkunftslandern,fallen diese Arbeitskräfteweg. Wir müssen attraktive Arbeitsbedingungen, Karrieremöglichkeiten schaffen und für eineattraktive Entlohnung in den Pflegeberufen sorgen. Pflegeberufe sind nichtso attraktiv, weil Pflegekräfteso wenig verdienen? Man Kann polemisch sagen, ein KFZMechaniker hat einen höheren Stundenlohnals eine Pflegekraft. Interessant ist, dassdie Pflegekostenprognosen zumeistunterstellen, dass die Einkommen und Gehälter auch nicht steigen, sondern lediglich der Inflation angepasst werden. Das ist die gängige Prognoseannahme Natürlich sollte ein guter Verdienst nichtder einzige Grundsein, in der Pflege zuarbeiten. Dennoch wurde man üblicherweise erwarten, dass die Gehälter steigen, wenn es in einer Branche boomt. Mit Bezug auf Pflege heißtes dagegenoft reflexhaft Wir könnenuns das nichtleiste« Wir werden aber weder als Ein Wiener Zeitung 11.09.2010