16.09.2015 für Prater Wien Gmb H und Wiener Praterverband zum eigenen Gebrauch nach §42a Urh G. VOR DER PRATERSAUNA den tye"quot;c/ Ucfoe Eine kleine Geschichte der Subversion in den kaiserlichen Jagdgründen Als der Kaiser Joseph II. in aufgeklärt absolutistischer Manier den Prater, das alte Jagdrevier der Habsburger, 1766 der Wiener Bevölkerung als Erholungsund Belustigungsgebiet öffnete, meldeten sich zahlre
[MEHR]ich Gewerbetreibende, um Bier, Wein, Kaffee und Limonade zu verkaufen. Daneben begann im Bereich des ' Wurstelpraters' die Errichtung von Ringelspielen, Schaukeln und anderen Fahrgeschäften. Auch wenn die Budenbesitzer*innen sich aus pensionierten Offizieren, ehemaligen Beamten oder Magazineuren zusammensetzten, durften sie eins nicht sein: Jüdinnen. Ihnen war auch unter dem toleranten Joseph II. das Betreiben von Gewerbe verboten. Jedenfalls entwickelte sich gemeinsam mit den Vergnügungsgeschäften und Wirtshäusern ein Naherholungsgebiet, in das Arbeiterinnen, Handwerker*innen und Dienstbot'innen in ihrer wenigen Freizeit ihr Geld trugen. Während in den Kaffeehäusern der Stadt im frühen 19. Jahrhundert Frauen weitestgehend ausgeschlossen waren, saßen in den Heurigen, Wirtshäusern und Branntweinstuben im Prater und in den Vorstädten trinkende und diskutierende Frauen. Dabei entwickelte sich eine Alltagskultur, geprägt von Kleinkriminalität, Sexarbeit und Jugendbanden, die bis heute in verkitschten Bildern tradiert werden. Der Prater entwickelte sich bis zur Jahrhundertwende der tourismusfördernden Wiener Moderne auch zu einem Ort der Devianz, der proletarischen Subkultur und der Halbwelt, geprägt von den politischen und sozialen Abgründen der Stadt. So war der Prater ein geteilter Ort. Auf den großen Alleen und den ihnen umgebenden Grünflächen flanierten und spazierten Angehörige der Aristokratie und des wohlhabenden Bürger*innentums. In der Nacht während der warmen Sommernächte war er Schlafstätte für jene, die nicht einmal mehr ein Bett in einem der Arbeiter'innenquartiere in Favoriten oder Ottakring bezahlen konnten. MASSEN IN AUFRUHR Orte des Vergnügens waren durch die in ihnen angelegten Elemente der Transgression, des Zügellosen und Unkontrollierten, für die Obrigkeit und das sich durchsetzende staatliche Gewaltmonopol immer auch (potentielle) Orte der politischen und sozialen Aufruhr. So war im Vormärz die Zeitspanne der politischen Restauration zwischen dem Ende der napoleonischen Kriege und dem europäischen Revolutionsjahr 1848 der Brigittakirtag im heutigen 20. Bezirk ein jährlicher Anziehungspunkt für Zehntausende. Bis er schließlich 1848 untersagt wurde wie die ausschweifenden Exzesse des Faschings und das Maskentragen bereits in den Jahrzehnten davor. Im Vormärz waren die Vergnügungen, vor allem die Kleintheater und Clownsfiguren im ' Wurstelprater', der Zensur unterworfen: Buchstäblich zum Schweigen verdammt florierte die Kunstform der Pantomime. Eine Romantisierung der populären Unterhaltungsformen als Rebellion und soziale sowie politische Form der Transgression darf dabei aber nicht passieren: Einen ebenso großen Anteil hatten antisemitische und rassistische Inhalte. Zeitgenossen imaginierten Revolution und Rebellion häufig als das Ergebnis von unkontrollierbaren Massen, die emotional aufgewühlt, zunächst noch solidarisch, schließlich in Mordslust aufgingen. Damit sollten Ereignisse von der Französischen Revolution bis Revolten im späten 19. Jahrhundert erklärt und gleichzeitig depolitisiert werden. Im Vormärz wuchs Wien zur Großstadt die beginnende Industrialisierung mit ihrem Begleiterscheinungen brachte neue Formen der Armut und ihrer Sichtbarkeit hervor. Elend wurde nicht selten zuerst im Kochtopf sichtbar der Hunger blieb im 19. Jahrhundert bis hin zu den unmittelbaren Jahren nach dem Ersten Weltkrieg der unmittelbarste Auslöser für sozialen Protest und Gewalt. Im August 1848 kam es während der Revolutionsereignisse auch zur sogenannten Praterschlacht, die die Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen der verschiedenen Gruppen von Akteur'innen im Revolutionsjahr deutlich machte. Nach dem vorläufigen Sieg der Revolution im März des Jahres, der vor allem politischrechtliche Dimensionen abdeckte, wurde die Diskrepanz zwischen den bürgerlichen, studentischen und proletarischen Barrikadenkämpfer*innen offenbar. Arbeiterinnen vor allem Erdarbeiter'innen versuchten in die Innere Stadt zu ziehen und wurden dabei von Nationalgardisten mit Säbeln und Gewehren gewaltsam aufgehalten. Unter den Nationalgardisten waren unter anderem Mitglieder der Akademischen Legion, die die Revolution im März mitausgelöst hatten und sich später gegen radikaldemokratische Kräfte wandten. Die Praterschlacht markierte das Ende der revolutionären ' Klassenkoalition' (dies freilich nur schematisch gedacht). Die kitschige Erzählung des Praters als Geschenk des Kaisers an die ' Volksmassen', als kostenloses, aber schönes Erholungsgebiet für die Armen der Stadt, verdeckt das Elend hinter der schönen Fassade. Wie sich auch die Armutsquartiere in den Arbeiter*innenvierteln am Ende des 19. Jahrhundert hinter den Gründerzeitbauten auftaten und die soziale Segregation zu einer urbanen Struktur ästhetisiert wurde, so spielt der Prater bis heute eine soziale, kulturelle und politische Homogenität vor, die nur fallweise durch gewaltsame Ausbrüche gebrochen wurde. Veronika Helfert